1tes Treffen der IG Zukunftsgerichtete Landwirtschaft Kanton Luzern
1tes Treffen der Innovationgruppe Zukunftsgerichtete Landwirtschaft Kanton Luzern
Die Innovationsgruppe Zukunftsgerichtete Landwirtschaft hat sich am Donnerstag, 26.10 zum ersten Mal am Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung in Schüpfheim getroffen. Teilnehmende aus der Landwirtschaft, Verarbeitung und Dienstleistung (inkl. landwirtschaftlicher Beratung) haben sich ein Morgen lang mit den Herausforderungen des Landwirtschafts- und Ernährungssystems beschäftigt. Die Themen waren:
Vorstellung Innovationsgruppe, Übersicht zu Wertschöpfungsstruktur in Luzern und Workshop zur Problemanalyse, Lucas Grob – Swiss Food Research
Lucas Grob, Geschäftsführer von Swiss Food Research, stellte die Organisation und die Innovationsgruppe vor. Swiss Food Research ist mit mehr 200 Mitgliedern das grösste, unabhängige und neutrale Innovationsnetzwerk der Schweiz im Agrar- und Lebensmittelbereich. Zielstellung ist, Innovation wirksam voranzutreiben und Brücken zwischen den dafür erforderlichen Akteuren zu bauen und beim Zugang zu Fördermitteln zu unterstützen. Ein wichtiges Element dabei sind die Innovationsgruppen (IG genannt). Hier treffen alle Akteure aus Forschung und Umsetzung im jeweiligen Themenbereich zusammen. Erkenntnisse aus laufenden Projekten werden diskutiert und neue Ideen und Projekte werden initiiert. Mit 11 Innovationsgruppen wird heute ein breites Feld abgedeckt. Die Innovationsgruppen fungieren als Keimzelle für neue Projekte und regelmässigen Wissenstransfer.
Im Themenbereich «zukunftsgerichtete Landwirtschaft» ist ein wichtiger Aspekt die Frage der Wertschöpfung und deren Steigerung. Die Kenntnis um das Umfeld ist zentral, wenn man etwas verändern oder neu positionieren möchte. Das Wertschöpfungssystem des Kantons Luzern zeigt dabei, dass die grössten Umsätze in den Segmenten Verkauf von Landmaschinen, lebend Tier(handel), Käse, Alkohol (Wein, Bier, Spirituosen) und Getreide erzielt werden. Anhand solcher Analysen können Bereiche mit Wachstumspotential identifiziert werden. Über geordnete Strategien von Bund und Kanton bieten neue Möglichkeiten. Aktionsplan Biolandbau, Offensive Spezialkulturen und Vorgaben im Bereich Klimaschutz und Nachhaltigkeit (z.B. Foodwaste) sind Beispiel für sich bietende Chancen. Um diese zu nutzen sind Neuerungen und Innovationen gefragt. Innovation definiert sich dabei durch alles, was im Vergleich zu heute, morgen neu und anders ist. Um die «richtigen» und wirksamen Lösungen zu entwickeln, benötigt es aber zuerst das Verständnis des Problems und dessen Ursachen.
In einem kurzen Workshop wurde in das Thema Problemanalyse, Ursachenerkennung und Benennung der Akteure (Stakeholder) eingeführt.
Vier Gruppen haben dazu Probleme rund um den Themenbereich: Herausforderungen in der Landwirtschaft – sozial, ökonomisch, regulatorisch, ökologisch benannt. Der eigene Bezug zu den Problemen war hierbei wichtig.
Es wurden folgende übergeordnete Problembereich identifiziert:
- Zugang zum Markt und Vermarktung
- Wertschätzung der Landwirtschaft und Wertigkeit ihrer Produkte
- Umfeld, Standort und Unterstützungsmöglichkeiten
- Arbeit und Soziales
- Dilemma der Nachhaltigkeit – Die Summe der 3 Säulen ist konstant, Erhöhung der einen erniedrigt die anderen
Sehr häufig wurde genannt:
- Die zunehmende Entfremdung zwischen Konsumenten*innen und Landwirtschaft sowie das fehlende Verständnis für die Herausforderungen und Aufgaben der Landwirtschaft und die mangelnde Wertschätzung
- Die hohe Arbeitsbelastung in der Landwirtschaft und die fehlenden Ressourcen (Zeit, Personal, Geld) um Neues wagen zu können.
- Der Austausch mit anderen, um Erfahrungen und Gedanken teilen zu können
Alle weiteren genannten Probleme sind in dem Fotoprotokoll dargestellt.
Plattformen wie die Innovationsgruppe oder auch der neue Arbeitskreis Innovation des BBZN bieten hier die Chance, gemeinsam und kontinuierlich im Kreise Interessierter an diesen Themen arbeiten und Lösungen entwickeln zu können.
Im Rahmen von Praxisbeispielen, die auf verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette angesiedelt sind, wurden erfolgreiche Geschäftstätigkeiten vorgestellt.
Praxisbeispiel: Auswirkungen der Futterhecken, Pirmin Adler – Adlerzart
Pirmin Adler bewirtschaftet den vielfältigen Hof «Adlerzart» (Mutterkuhhaltung, Weidepoulet, Feldkulturen, Agroforst) in Oberrüti, ZH. Pirmin Adler zeigte die Vorteile von Agroforst auf. Beispielsweise Ökosystemleistungen, wie die Filterung von Trinkwasser, Temperaturausgleich im Mikroklima und Kohlenstoffbindung im Boden.
Auf dem Betrieb wurden Futtergehölze (Bsp. Esche, Salweide, Vogelkirsche) in Hecken angepflanzt. Dazwischen weidet das Rindvieh und die Hühner. Das System wird auch silvopastoraler Agroforst genannt. Pirmin Adler hat recherchiert und ausprobiert, wie das System optimal zusammenspielt: Die Ressource Boden wird durch verschiedene Wurzelwerke (Bsp. Herzwurzelwerk des Feldahorns) und symbiontische Pflanzen (Bsp. Stickstofffixierende Erle) optimal ausgenutzt und gefördert. Eine stabile Flächenproduktivität wird durch „vertikale Photosynthese“, auch Hecken genannt, ermöglicht. Gleichzeitig dient die hohe Vielfalt an Futterpflanzen als Waldapotheke für die Tiere (Bsp. Wirkstoff Salicylsäure in den Rinden von Weiden oder ätherische Öle der zugefütterten Fichtenzweige zur Milderung Atemwegserkrankungen bei Kälbern im Winter). Eine Herausforderung im Aufbau des Futterheckensystems war das in der Schweiz noch fehlende Wissen über Futterhecken. Pirmin Adler musste einiges an Pionierarbeit leisten und lernt in der täglichen Beobachtung immer dazu.
Die Chancen, die sich ihm dadurch in der Zukunft bieten sind: Resilientes System – wird besser mit grossen Schwankungen fertig und hat damit weniger Kosten oder Ausfälle, höhere Akzeptanz der Endprodukte durch ganzheitlich nachhaltige Bewirtschaftung, Speicherung von Kohlenstoff – CO2 Handel um nur einige zu nennen.
Praxisbeispiel: Körnerleguminosen auf den Tellern Anik Thaler – Fabas
Anik Thaler gründete das dreiköpfige Jungunternehmen «Fabas» mit Sitz in Zürich. Ziel des Unternehmens ist es, Schweizer Hülsenfrüchte in den Laden zu bringen. Dazu engagiert sich Fabas entlang der ganzen Wertschöpfungskette.
Fabas koordiniert zusammen mit der IP Suisse die Produktion von Kicher- und Eiweisserbsen, sowie Ackerbohnen, die auf 24 Landwirtschaftsbetrieben angebaut werden. Das beinhaltet Feierabendbiere zur Besprechung von Anbauschwierigkeiten, Aufbau eines WhatsApp Chats, die Festlegung von Qualitätsbedingungen und geeignete Sorten für die menschliche Ernährung. Die Körnerleguminosen werden in den Produktionspartnerbetrieben Angst und Fredag zu Hummus, Falafel und Bohnenburger verarbeitet und über Migros, Bio Partner, Farmy und Alnatura vertrieben.
In ihrer Arbeit begegnet Anik Thaler verschiedene Herausforderungen: tiefe Preise ausländischer Rohstoffe, fehlende Wissen rund um den Konsum von Hülsenfrüchten, sowie fehlende Erfahrung im Anbau und der Reinging von Körnerleguminosen zu Speisequalitäten. Zudem werden heute Fleischersatzprodukte aus ausländischen Proteinpulver hergestellt, unter anderem weil in der Schweiz die Wertschöpfungskette zur Herstellung der Proteinpulver fehlt. Darum findet man heute keine Schweizer Körnerleguminosen in Fleischersatzprodukten. Damit zukünftig auch Schweizer Hülsenfrüchte in Ersatzprodukten zu finden sind, entwickelt Fabas eine neue Prozesstechnologie, die es ermöglicht Proteinpulver auf eine schonende Art aus Schweizer Körnerleguminosen herauszulösen.
Fabas ist ein Paradebeispiel für ein „Geschäfts Ökosystem“ das auf Verbund und Partnerschaft basiert und die Stärken wirkungsvoll verbindet. Durch regelmässigen Austausch wird die Hürde für Neues gesenkt und man kann voneinander lernen. Es ist das Beispiel für eine „Innovationsgruppe in Klein“. Durch dieses ganzheitliche Verbundsystem schafft Fabas eine Einzigartigkeit im Markt, die nur schwer kopierbar.
Praxisbeispiel: Hürden in der Direktvermarktung Malte Schwinger – Lokavor
Malte Schwinger leitet das Unternehmen «Lokavor» – anstatt Omnivor oder Karnivor – möchte Lokavor die lokale Ernährung und Versorgung fördern. Die App erlaubt es den Konsumenten in ihrem Umfeld (Geolokalisierung analog zu Google oder Uber) sehr schnell Direktvermarkter und deren Produkte zu finden. Direktvermarkter können über eine interne Mikroseite in der Lokavor App Produkte bewerben, verkaufen und mit ihrer Kundschaft kommunizieren. Die App ist intuitiv und einfache zu bedienen, sowohl für die Verkäufer als auch die Käufer von Produkten.
Die Hürden in der Direktvermarktung bleiben hoch: Wie gewinnt man die Kundschaft und wo werden die Produkte hin geliefert? Die Kundengewinnung ist Sache der Direktvermarkter und funktioniert bei der App über einen QR-Code. Die Kundin scannt den am Hofladen aufgelebten Code, installiert die App und wird direkt Followerin der Mikroseite des entsprechenden Direktvermarkters. Nun bekommt sie Nachrichten und Aktionen des Vermarkters. Kooperationsmöglichkeiten zur Bewirtschaftung von Abholstationen naheliegende Direktvermarkter können durch die App organisiert werden.
Timon Schwarz, Betriebsleiter des Betriebs «Natürlich Schwarz» bei Tägerwilen (TG) vermarktet erfolgreich 150 betriebseigene Produkte über die Lokavor App.
Die Vorteile dieser App liegen darin, dass auch Verbindungen zu Abholstationen (Bäckereien, Metzgereien, kleinere Geschäfte) geschaffen werden können und somit ein dezentrales Verbundsystem aufgebaut werden kann. Viele Einzelakteure werden miteinander verbunden und können so Synergien nutzen, die dem Einzelnen nicht zur Verfügung stehen („gemeinsam Jagen“). Des Weiteren gibt es keine zusätzliche Gebühr pro verkauftes Produkt, was der Preis- und Margengestaltung sehr dienlich ist.
Wie geht es weiter?
Die Beispiele zeigen auf wie erfolgreich neue Lösungen entwickelt und in Wert gesetzt werden können und Herausforderungen in Chancen umgewandelt wurden. Das Verständnis der Zusammenhänge, Analyse der Probleme und deren Ursachen legen die Basis dafür. Infolge der Komplexität benötigt es verschiedene Akteure, um wirksame und erfolgreiche Lösungen zu entwickeln. Diese Vorhaben müssen methodisch kompetent unterstützt und begleitet werden, damit die Akteure sich nicht im „Dschungel“ der Lösungsfindung verlieren. In den Innovationsgruppen von Swiss Food Research und in den Arbeitskreisen des BBZN bieten sich die kompetenten, neutralen und unabhängigen Gefässe für die gemeinsame Arbeit an „Veränderungsvorhaben“.
- Der Arbeitskreis Innovation startet am BBZN-Luzern nächstes Jahr. Jeweils am Abend jeden zweiten mittwochs im Monat. Die Arbeitskreise eignen sich um betriebliche Herausforderungen anzugehen und sich mit Praxisexpert:innen und Berater:innen auszutauschen.
- Swiss Food Research bietet mit der Innovationsgruppe die Möglichkeit des Austausches über die Arbeitskreise hinweg. Weiter bietet Swiss Food Research die Möglichkeit für Einzelgespräche zu individuellen Vorhaben. Fragen zu Vorgehen, Beratung zu Fördermöglichkeiten, spiegeln der eigenen Ideen mit einem Sparringpartner sind Elemente solcher Diskussionen, die im vertraulichen Rahmen erfolgen. Erstgespräche (ca. 1h) sind für alle (auch Nicht-Mitglieder) offen.
Projekte und „Veränderungsvorhaben“ benötigen finanzielle Mittel. Die Förderlandschaft ist vielfältig und auch gut bestückt mit Mittel. Im Finden der passenden Förderung und bei der Antragserarbeitung können das BBZN und Swiss Food Research Unterstützung liefen.
Einige Beispiele hierfür sind:
- Förderung innovative Projekte des Kantons Luzern:
Niederschwellige Projektförderung für beispielsweis Selbsthilfemassnahmen und Kooperationsprojekte bis zu 5000 CHF
2 Seiten Formular ans Lawa - AgriQnet – Innovative Projekte von Landwirt:innen, BLW:
Niederschwellige Projektförderung für beispielsweise Businesspläne und Prototypen bis
zu 80‘000 CHF
Mind. 2 Landwirtschaftsbetriebe, teilweise Mitfinanzierung nötig
2 Seiten Formular, Abgabe bis 30.4.2024 - Innovationbooster: Projektförderprogramm von Innosuisse
Unterstützung von neuartigen Ideen
Kooperationsprojekte zw. Industrie (inkl. Landwirtschaft) und Forschung
Zweimal 2 Seiten Formular, 3 Beratungsgespräche, 1 Vortrag
Mitgliederbereich
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